Alles Lob gebührt dem Herrn der Welten. Und Lob und Heil seien auf den edelsten Gesandten, unseren Propheten Muĥammad und auf seine Angehörigen und all seinen Gefährten.
Um fortzufahren:
O Diener Allahs! Zu den Vorteilen der islamischen Rechtslehre (Scharī‘ah) gehört, dass diese ein Grundprinzip geschaffen hat, das zu den grundlegendsten Prinzipen gehört, nämlich das Abwehren von Leid und Bedrohung. Ein Bereich der praktischen Anwendung dieser Regel ist, dass der Muslim stets darauf achtgeben sollte, weder einen anderen mit dem „bösen Blick“ zu treffen noch selbst damit getroffen zu werden.
Von Ibn ‘Abbāş, Allahs Wohlgefallen auf beide, wird berichtet, dass der Prophet, möge Allah ihn loben und Heil schenken, gesagt hat: „Der „böse Blick“ ist wahr! Und wäre es möglich, dass etwas der göttlichen Fügung (al-Qadar) zuvorkommt, dann wäre es gewiss der böse Blick gewesen. Wenn ihr also aufgefordert werdet, die Gebetswaschung vorzunehmen, damit diese Person vom Einfluss des bösen Blickes geheilt wird, dann nimmt die Gebetswaschung vor.“ [verzeichnet bei Muşlim].
Imām an-Nawawī sagte in seiner Erklärung: „Hierin ist eine Bekräftigung der göttlichen Fügung. […] Kein Leid, dass durch den bösen Blick verursacht werden kann noch sonst irgendetwas anderes an Gutem oder Bösen kann geschehen, außer durch die Erlaubnis des erhabenen Allahs. In diesem Ĥadīth wird außerdem der böse Blick bestätigt und dass er enormes Leid verursachen kann.“
Imām Aĥmad und at-Tirmidhī (2059, der es als authentisch stufte) berichteten, dass Aşmā` Bint ‘Umaiş sagte: „O Gesandter Allahs, die Kinder von Dja‘far leiden wegen dem bösen Blick, der sie traf, darf ich für sie die Ruqyā durchführen?“ Er sagte: „Ja! Und wäre es möglich, dass etwas der göttlichen Fügung (al-Qadar) zuvorkommt, dann wäre es gewiss der „böse Blick“ gewesen.“ [als authentisch gestuft von al-Albānī in „Şaĥīĥ at-Tirmidhī“].
Abū Dāwūd berichtete, dass ‘Ā`ischah, Allahs Wohlgefallen auf ihr, sagte: „Die Person, die für den bösen Blick verantwortlich war, wurde geholt und drum gebeten, die Gebetswaschung durchzuführen. Dann hat sich die Person, die vom bösen Blick betroffen war, mit diesem Wasser gewaschen.“ [Dies wurde al-Albānī in „Şaĥīĥ Abī Dāwūd“ als authentisch gestuft].
Abī Na’īm hat in „al-Ĥilyah wa l-Khattīb al-Baĝdādī“, das von al-Albānī als gut gestuft wurde, berichtet, dass Djābir, Allahs Wohlgefallen auf ihm, gesagt hat: Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn Loben und Heil schenken, hat gesagt: „Der böse Blick kann einen Mann ins Grab bringen und ein Kamel in den Kessel.“
Das heißt, dass der böse Blick einen Mann treffen kann, sodass es ihn tötet und er dann im Grab beigesetzt wird. Es kann aber auch ein Kamel treffen, das dann kurz vor seinem Tod vom Besitzer geschlachtet und dann im Kessel gekocht wird.
Nail al-Awtār hat gesagt, dass al-Bazzār mit einer guten Überlieferungskette von Djābir, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtet hat, dass der Prophet, möge Allah ihn loben und Heil schenken, sagte: „Die meisten aus meiner Ummah, die durch die Festlegung und Bestimmung Allahs sterben werden, werden durch den bösen Blick sterben.“
Die Gelehrten der Şunnah haben bekräftigt, dass der böse Blick wahr ist und dass er krank machen und sogar töten kann. Dies steht im Widerspruch zu einigen Neuerern, die dieses ablehnen, obwohl sie die prophetischen Berichte, die authentisch sind, kennen.
Die Wirklichkeit des bösen Blickes ist, wie es al-Qiştalānī beschrieben hat, der bewundernde Blick, der auf etwas fällt und mit Neid behaftet ist, sodass derjenige, dem dieser Blick galt, dadurch Schaden davonträgt, weil der erhabene Allah dies zugelassen hat.
O Diener Allahs! Wenn nun der böse Blick wahr ist, was sind dann die Maßnahmen, die einen davor schützen und heilen können?
Zu den wichtigsten Maßnahmen, mit denen du den bösen Blick abwehren kannst, ist die Erneuerung des Versprechens seitens des Dieners, dass er sich gegenüber Allah bedürftig, erniedrigt und gebrochen zeigt und dass er sich begreiflich macht, dass er auf den Schutz Allahs und Seiner Fürsorge angewiesen ist. Dann sollte er vermehrt die Morgen- und Abendbittgebete (Adhkār) aufsagen, da denjenigen, der sie aufsagt, mit Allahs Hilfe kein Leid treffen kann.
Der Prophet, möge Allah ihn loben und Heil schenken, pflegte für al-Ĥaşşan und al-Ĥuşşain Zuflucht bei Allah zu suchen, indem er sagte: „Euer Vater pflegte damit für Işmā’īl und Işĥāq Zuflucht bei Allah zu suchen. Ich suche für euch Zuflucht bei den vollkommenen Worten Allahs vor jedem Schaytān (Satan), jedem Ungeziefer und vor jedem bösen Blick.“ [verzeichnet bei al-Buchārī].
Zu den Maßnahmen, mit denen der böse Blick abgewehrt werden kann, gehört das verbergen der Dinge, bei denen man befürchtet, dass sie den bösen Blick auf sich ziehen könnten, so wie es Ya’qūb (Jakob) getan hat, als er seine Söhne aufgefordert hat, durch verschiedene Tore nach Ägypten hineinzugehen, weil es ein Bedürfnis in seiner Seele war, das er damit erfüllte. [1] Die Muffaşşirūn haben gesagt, dass er damit das Unheil des bösen Blicks von ihnen abwehren wollte.
Das gleiche tat auch der rechtgeleitetet Kalif ‘Uthmān, Allahs Wohlgefallen auf ihm, als er einen kleinen Jungen sah, der hübsch war. Er sagte: „Kremt sein Grübchen in der Wange ein, damit die Blicke von ihm abgewandt werden.“ Das heißt, füllt sie mit Creme, damit es nicht mehr deutlich zu sehen ist.
Bei Allah, du wirst dich wundern, wenn du siehst, wie prahlerisch, losgelöst und freizügig einige Frauen und muslimische Jugendliche umhergehen und das von ihrem Körper zur Schau stellen, was nicht gezeigt werden darf, weil sie damit Ungläubige und Frevler nachahmen wollen. Haben denn diese Leute nicht Angst um ihre Körper vor dem Leid, das durch den bösen Blick verursacht werden kann, wenn sie schon keine Angst vor der Bestrafung Allahs haben, Der ihre Körper zum Brennstoff des Höllenfeuers machen wird? [2] Aber nur diejenigen bedenken, die Verstand besitzen!
Wenn nun aber das Leid, das durch den bösen Blick verursacht werden kann, eingetroffen ist und sich im Körper verbreitet hat, dann kann dieses Leid durch Ruqyā und Bittgebete, die authentisch überliefert wurden, geheilt werden, weit weg von den betrügerischen Lügnern und den Zauberern und Scharlatanen, die lediglich den Besitz der Menschen in unrechter Weise aufzehren.
Damit wir anderen durch unseren Blick kein Leid zufügen, hat uns die Rechtslehre Allahs Dinge erlassen, die wir sagen sollen, wenn wir von der Gestalt eines Muslims, von seiner Lage, seinem Vermögen, seinen Kindern oder ähnlichem beeindruckt sind, nämlich: „Es sei, was Allah will; es gibt keine Kraft außer durch Allah.“ (ما شاء الله لا قوة إلا بالله - mā schā`-Allah, lā Quwatah illā billāh“), so wie es der erhabene Allah in der Geschichte über den Besitzer der zwei Oasen berichtet hat, als Er sagte: "Würdest du doch, wenn du deinen Garten betrittst, sagen: „(Es sei,) was Allah will; es gibt keine Kraft außer durch Allah!“" [al-Kahf 18:39].
Ibn Kathīr, möge Allah mit ihm gnädig sein, hat in seinem Taffşīr gesagt: „Manche Şalaf haben gesagt: „Derjenige, der von seiner Lage, seinem Vermögen oder seinen Kindern beeindruckt ist, sollte sagen: „Es sei, was Allah will; es gibt keine Kraft außer durch Allah.“
Zu den Maßnahmen, mit denen der böse Blick abgewehrt werden kann, ist die Segnung (at-Tabrīk), indem man sagt: „Möge Allah es segnen.“ (اللهم بارك فيه - Allāhumma Bārik fīh) oder „Es sei, was Allah will; Segensreich ist Allah.“ (ما شاء الله تبارك الله - mā schā` Allah tabārak-Allah), so wie es in der Geschichte von Şahl Ibn Ĥunaif berichtet wurde, dem ‘Āmir Ibn Rabī’ah Leid zugefügt hatte.
Diese Geschichte haben Imām Aĥmad, Ibn Mādjah, Mālik und andere von Şahl Ibn Ĥunaif, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtet. Eines Tages reiste der Gesandte Allahs, möge Allah ihn loben und Heil schenken, mit seinen Gefährten nach Mekka. Als sie die Felsenschlucht von al-Khazzār in al-Djuĥfah erreicht haben, hat sich Şahl Ibn Ĥunaif dort gewaschen. Er war ein weißer Mann, mit einem schönen Körper und einer schönen Haut. ‘Āmir Ibn Rabī’ah sah ihn, als er sich wusch, und sagte: „Ich habe noch nie so etwas gesehen, nicht mal die verborgene Haut einer Jungfrau ist so weiß.“ (Das war eine Metapher für die intensive Weiße seiner Haut). Daraufhin erlitt Şahl einen Anfall (ein epileptischer Anfall, in dem er zu Boden fiel). Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn loben und Heil schenken, wurde daraufhin gerufen und man fragte ihn: „O Gesandter Allahs! Weißt du, was mit Şahl geschehen ist? Bei Allah, er kann weder seinen Kopf heben noch aufwachen.“ Er sagte: „Habt ihr irgendjemanden wegen ihm beschuldigen?“ Sie sagten: „‘Āmir Ibn Rabī’ah hat ihn angeschaut.“ Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn loben und Heil schenken, ließ daraufhin ‘Āmir bringen und war sehr zornig auf ihn gewesen. Er sagte zu ihm: „Weshalb tötet einer von euch seinen eigenen Bruder? Wenn du etwas gesehen hast, was dich beeindruckt, dann bitte doch um Segnung für ihn?“ Dann sagte er weiter zu ihm (also zu ‘Āmir): „Verrichte die Gebetswaschung für ihn.“ Also hat ‘Āmir sein Gesicht, seine Hände, seine Ellbogen, die Unterseite seiner Füße in einer Schale gewaschen. Danach haben sie dieses Wasser über ihn (Şahl) gegossen - ein Mann, goss es über seinen Kopf und über seinen Rücken. Als sie dies für ihn getan haben, ist Şahl aufgestanden und ist mit den Leuten gegangen so, als wäre nie etwas geschehen.“
Dieser Ĥadīth zeigt, dass es für denjenigen erlaubt ist, der vom bösen Blick getroffen wurde und weiß, wer ihm das angetan hat, dass er ihn darum bittet, er möge für ihn die Gebetswaschung durchführen. Und derjenige, der dieses Unheil verursacht hat, sollte seiner Bitte nachkommen und nicht querulieren. Denn der Gesandte Allahs, möge Allah ihn loben und Heil schenken, hat gesagt: „Wenn ihr also aufgefordert werdet, die Gebetswaschung vorzunehmen, damit diese Person vom Einfluss des bösen Blickes geheilt wird, dann nimmt die Gebetswaschung vor.“ Al-Ĥāfidh Ibn Ĥadjar, möge Allah mit ihm gnädig sein, hat gesagt: „Nach dem Wortlaut zu urteilen, ist dies sogar eine Pflicht.“
Jeder, der glaubt, dass er wahrscheinlich andere mit seinen bösen Blick treffen könnte, sollte bezüglich seinen Geschwistern Allah fürchten, so wie es der Gesandte Allahs, möge Allah ihn loben und Heil schenken, gesagt hat und für sie bei Allah um Segnung bitten. Er sollte außerdem das übermäßige Beschreiben und Bewundern von Dingen unterlassen und das Rebellieren seiner Seele, die etwas gesehen hat, das sie beeindruckt, unterbinden.
Du würdest dich wundern, wenn du über die Hartnäckigkeit einiger Menschen Bescheid wüsstest, die andere mit ihren bösen Blick schaden wollen. Sie wetteifern sogar untereinander, wer einer bestimmten Person mehr Schaden und Leid zufügen kann oder wer dessen Auto oder dessen Haus einen Schaden verursachen kann.
O Diener Allahs! Wenn derjenige, der anderen Leid mit seinem bösen Blick zufügt, darauf beharren sollte, dieses weiter zu tun, dann ist es dem Machthaber oder dem Richter gestattet, ihn zurechtzuweisen und gegebenenfalls in Gewahrsam zu nehmen, solange bis er diese Tat unterlässt, so wie es von den Gelehrten bekräftigt wurde.
Das, worauf jedoch unbedingt hingewiesen werden muss ist, dass der böse Blick, der dich durch eine andere Person getroffen hat, nicht unbedingt bedeuten muss, dass diese Person schlecht ist. Denn eine Person kann sogar vom eignen bösen Blick getroffen werden. Ibn al-Qayyim hat gesagt: „Eine Person kann vom eignen bösen Blick getroffen werden und er kann andere damit unabsichtlich treffen.“
Ibn ‘Abdul-Barr, möge Allah mit ihm gnädig sein, hat gesagt: „Ein rechtschaffener Mensch kann andere mit seinem bösen Blick treffen. Er kann sogar sich selbst mit dem bösen Blick treffen.“
Al-Manāwī hat über den Kalifen Şulaimān Ibn ‘Abdul-Malik berichtet, dass er eines Tages sich selbst im Spiegel betrachtet hat und dabei sagte: „Muĥammad, möge Allah ihn loben und Heil schenken, war der Prophet, Abū Bakr war der Wahrhaftige, ‘Ummar war der Trenner (zwischen Glaube und Unglaube) und ‘Uthmān der Liebling. Ich aber bin der junge König.“ Kein Monat ist danach vergangen, als er starb.
Ein anderer Mann hatte eine hübsche Tochter gehabt. Eines Tages ging er zu ihr, schaute sie an und sagte, ohne dabei den Namen Allahs zu erwähnen: „Du bist wahrlich ein Abbild des Glücks, wessen Anteil wirst du wohl sein?“ (D.h. wer wird die Ehre haben, dich als seine Ehegattin zu haben.) Es vergingen nur wenige Stunden, als ihre Körpertemperatur anstieg und sie dann verstarb, eher der Morgen anbrach.
O Diener Allahs! Alles geschieht durch die Erlaubnis Allahs. Deshalb darf all jenen, die bekannt sind für ihren bösen Blick, weder Ehrfurcht noch Angst entgegen gebracht werden. Außerdem darf man auch nicht verleitet werden zu glauben, dass in ihren Händen die Macht für Schaden und Nutzen liegt oder dass sie anderen durch ihren eigenen Willen Schaden zufügen können. Liest wenn ihr wollt die Aussage Allahs, die er über die Zauberer getätigt hat, deren Schaden ja bekanntlich größer ist als von jene, die andere mit ihrem bösen Blick Leid zufügen: "Doch können sie damit niemandem schaden, außer mit Allahs Erlaubnis." [al-Baqarah 2:102].
Somit besitzt nur Er allein die Verfugungsgewalt. Keine Brise fegt durch das Land außer mit Seinem Befehl und nichts, was das Gewicht eines Stäubchens hat und in diesem weiten Universum existiert, bewegt sich, außer durch Sein Wille und mit Seiner Kenntnis, Erhaben ist Er.
Es gibt Menschen, denen etwas wiederfahren ist, das schlimmer ist als der böse Blick, nämlich, dass sie alles auf den bösen Blick zurückführen. Wenn sie nun beim sprechen stottern sollten, beim gehen stolpern oder einen Unfall mit ihrem Fahrzeug haben, glauben sie, dass dies das Resultat des bösen Blicks sei. Du wirst Frauen und Männer vorfinden, die nichts an sich haben was zu bewundern wäre, weder ihr Äußeres, noch ihr Charakter, noch ihr Wissen noch ihre Religion und trotzdem glauben sie, dass sie überall vom bösen Blick verfolgt werden. Dies ist jedoch lediglich ein Köder des Teufels, damit die Menschen mit diesen Einflüsterungen leben, die ihnen ihre Religion verdirbt und ihre weltlichen Vorteile behindern.
Möge Allah uns im Guten bewahren und uns vor dem bösen Blick schützen.
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[1] Siehe dazu Sure 12, Yūşuf, Vers 67f.
[2] Siehe dazu Sure 2, al-Baqarah, Vers 24.