Ihr Wallī (Vormund) hält sie ohne einen islamisch legitimen Grund von der Heirat ab

Frage:

Wie ist das Urteil bei einer konvertierten Schwester, die heiraten möchte und von ihrem Bruder, der auch Moslem ist, daran gehindert wird, weil er der Meinung ist, dass sie damit ihre Eltern unzufrieden stellt. Kann sie anstelle ihres Bruders einen anderen zum Wallī nehmen. Zuhause darf sie momentan auch nicht bleiben, weil sie vor kurzem ihr Gesicht bedeckt hat. Zum Bruder kann sie auch nicht gehen, weil er ihr Vertrauen missbraucht hat, in dem er sie bei vielen Brüdern schlecht gemacht hat, damit sie keinen Mann findet.

 

Antwort:

Alles Lob gebührt Allah. Und Lob und Heil seien auf Seinen Gesandten.

Erstens:          Es ist nicht zulässig, ohne Wallī (Vormund) zu heiraten, weil der Prophet, möge Allah ihn loben und Heil schenken, sagte: „Es gibt keine (gültige) Ehe, außer mit einem Wallī (Vormund).“1

Und der Prophet, möge Allah ihn loben und Heil schenken, sagte auch: „Jede Frau, die ohne die Zustimmung ihres Wallī geheiratet hat, ihre Ehe ist ungültig, ihre Ehe ist ungültig, ihre Ehe ist ungültig. […] Und wenn sie sich streiten sollten, dann ist der Machthaber der Wallī von dem, der keinen Wallī hat.“2

Zweitens:       Wenn sich der Wallī jedoch weigern sollte, die Frau, die unter seiner Obhut steht, mit einem geeigneten Mann zu verheiraten, dem sie zugestimmt hat, dann hat er sie von der Heirat abgehalten (al-’Adl). Einige der Gelehrten schreiben jedoch vor, damit es als erwiesen gilt, dass der Wallī sie von der Heirat abhält, dass seine Ablehnung mehrmals stattgefunden haben muss. Wenn der Wallī sich also mehrfach weigern sollte, sie in die Ehe mit einem geeigneten Mann zu geben, dann wird ihm die Vormundschaft aberkannt und auf den nächsten ihrer nahen Verwandten väterlicherseits übertragen, bis es dann am Ende auf den Qādī (Richter) übertragen wird (oder auch auf den Imām einer Moschee, falls sie in einem nicht-muslimischen Land leben sollten).

Ibn Qudāmah, möge Allah mit ihm gnädig sein, sagte in „al-Muĝnī“ (9/383): „Das, was mit der Verhinderung der Ehe (al-’Adl) gemeint ist, ist wenn eine Frau von der Heirat mit einem geeigneten Mann abgehalten wird, obwohl sie mit ihm einverstanden ist und obwohl jeweils der eine, den anderen heiraten möchte. Ma’qal Ibn Yaşār sagte: „Eine Schwester von mir hat einen Mann geheiratet, der sich später von ihr scheiden ließ. Als ihre Wartezeit (’Iddah) vorüber war, kam er zurück, um wieder um ihre Hand anzuhalten. Ich sagte zu ihm: „Sie hat dich geheiratet, wurde intim mit dir und hat dich geehrt, doch du hast dich von ihr scheiden lassen. Und jetzt kommst und willst noch einmal um ihre Hand anhalten? Nein, bei Allah, sie wird nie wieder zu dir zurückkehren.“ Er war ein Mann, mit dem alles in Ordnung war und auch sie wollte wieder zu ihm zurückzukehren. Dann offenbarte der erhabene Allah diese Worte: "[…] so haltet sie nicht davon ab, ihre Gatten zu heiraten."3 Ich sagte: „Jetzt werde ich es machen, o Gesandter Allahs.“ Er sagte: Danach verheiratete er sie mit ihm.“4

Dies gilt auch dann, wenn sie eine Brautgabe (Mahr) in der Höhe haben möchte, die sie vorher bekommen hat oder auch weniger. Dies ist die Ansicht von asch-Schāfi’ī, Abū Yūşuf und Muĥammad.

Wenn eine Frau einen bestimmten Mann, der geeignet ist, heiraten möchte, doch der Wallī sie an jemand anderen, der auch geeignet ist, heiraten will und sich deshalb weigert, sie mit demjenigen zu verheiraten, den sie will, dann ist er auch hier jemand, der sie von der Heirat abhält.

Doch wenn sie fordert, jemanden heiraten zu dürfen, der nicht geeignet ist, dann hat er das Recht, sie daran zu verhindern und ist in diesem Fall auch nicht jemand, der sie von der Heirat abhält.“

Scheich Ibn ’Uthaimīn, möge Allah mit ihm gnädig sein, sagte: „Wenn der Vormund sich weigern sollte, eine Frau in die Ehe mit einem Mann zu geben, der im Hinblick auf sein religiöses Bekenntnis und seinem guten Charakter dazu geeignet wäre, dann wird die Vormundschaft auf den nächsten ihrer nahen und männlichen Verwandten väterlicherseits übertragen, dann auf den Nächsten und so weiter. Wenn sie sich jedoch alle weigern sollten, sie zu verheiraten, was ja auch gewöhnlich geschieht, dann wird die Vormundschaft auf den rechtmäßigen Richter übertragen.

Der rechtmäßige Richter sollte die Frau verheiraten. Wenn solch ein Fall vor dem Richter kommt und er (der Richter) weiß, dass der Vormund der Frau sich weigert, sie zu verheiraten, so ist er dazu verpflichtet, ihre Ehe zu arrangieren, weil er die allgemeine Vormundschaft besitzt, solange die Vormundschaft der Familie nicht gegeben ist.

Die Gelehrten der Rechtsschulen (Fuqahā`), möge Allah mit ihnen gnädig sein, haben erwähnt, dass wenn der Vormund immer wieder geeignete Männer ablehnt, er dadurch zu einem Fāşiq (Frevler) wird, sodass sein gutes Charakter nicht mehr berücksichtigt wird und ihm seine Vormundschaft aberkannt wird. Nach der bekannten Ansicht von Imām Aĥmad, ist er sogar nicht mehr dazu qualifiziert, Gebete zu leiten, sodass es für ihn nicht mehr gültig ist, eine Gruppe von Muslimen im Gebet zu leiten. Dies ist somit eine ernste Angelegenheit.

Wie wir oben bereits erwähnt haben, lehnen manche Menschen, denen Allah die Vormundschaft über eine Frau gegeben hat, die Männer ab, die zu ihnen kommen, weil sie um die Hand dieser Frau anhalten wollen, obwohl sie geeignet sind. Es gibt Mädchen, die schüchtern sind, um zu einem Qādī (Richter) zu gehen und ihn darum zu bitten, ihre Ehe zu schließen. Dies ist etwas, was wirklich passiert. Deshalb sollte die Frau die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen, um herauszufinden, was schlimmer ist: Ein Leben ohne Ehemann und mit einem Vormund, der sie nach seinem Gemütszustand und seinen Gelüsten behandelt, sodass er sie erst dann verheiraten wird, wenn sie bereits ein hohes Alter erreicht hat und nicht mehr unbedingt das Bedürfnis empfindet, heiraten zu müssen, oder, dass sie sich an einen Qādī  wendet mit der Bitte, er möge für sie die Ehe schließen, da dies ihr islamisches Recht ist.

Zweifellos ist die zweite Alternative der Ersten vorzuziehen, nämlich, dass sie sich an einen Qādī  wenden soll mit der Bitte, er möge ihre Ehe schließen, weil sie dazu berechtigt ist und weil das Einschalten eines Qādī, der diese Ehe dann schließt, auch im Interesse der anderen Frauen ist. Denn dadurch werden auch andere Frauen kommen und das gleiche tun. Außerdem dient das Einschalten eines Qādī  auch als Abschreckung für all die Übeltäter, die zu Unrecht die Frauen, über die Allah ihnen die Vormundschaft gegeben hat, von der Heirat mit geeigneten Männern abhalten. Somit dient dieser Schritt drei Interessen:

1.                  Die eigenen Interessen der Frau, so daß sie nicht ohne einen Mann bleiben muss.

2.                  Die Interessen der übrigen Frauen, denen dadurch die Türe geöffnet wird, dasselbe zu tun. Denn viele warten auf so einen Präzedenzfall, um ihm dann offen folgen zu können.

3.                  Es verhindert, dass diese ungerechten Wallīs, denen Allah die Vormundschaft gegeben hat, über das Leben ihrer Töchter und die der anderen Frauen willkürlich entscheiden können.

Es dient aber auch dem Zweck der Umsetzung der Befehle des Propheten, möge Allah ihn loben und Heil schenken, der ja gesagt hat: „Wenn zu euch jemand kommt, dessen Religion und Charakter euch gefällt, dann verheiratet ihn, und wenn ihr das nicht macht, dann wird es einen Zwietracht auf Erden geben und viel Schlechtigkeit.“

Weiterhin dient es auch dem Interesse der Männer, die um die Hand einer Frau anhalten wollen und sowohl aus der religiösen als auch aus der charakterlichen Sicht geeignet wären.“5

Möge Allah es der Schwester einfach machen und Ihre Not lindern.

 

Und Allah weiß es am besten.

 

 

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1 Diesen Ĥadīth von Abū Mūşa al-Asch’arī haben Abū Dāwūd (2085), at-Tirmidhī (1101) und Ibn Mādjah (1881) verzeichnet und wurde von al-Albānī in „Şaĥīĥ at-Tirmidhī“ als authentisch gestuft.

2 Diesen Ĥadīth haben Aĥmad (24417), Abū Dāwūd (2083) und at-Tirmidhī (1102) verzeichnet und wurde von al-Albānī in „Şaĥīĥ al-Djāmi’“ (2709) als authentisch gestuft.

3 al-Baqarah 2:232

4 verzeichnet bei al-Buchārī

5 Fatāwah Işlāmiyyah, 3/148

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