Ihm ist es möglich, seine Religion in einem Land des Schirk besser zu praktizieren, als in seinem Heimatland. Muss er dann trotzdem auswandern?

 

Frage:

Ich lebe in einem der westlichen Länder. Ich kann jedoch dort den Kulthandlungen meiner Religion ohne Einschränkung nachkommen, dafür sei Allah Dank. Nun bin ich auf eurer Webseite auf einige Ĥadīthe des Propheten gestoßen, die ein Aufenthalt in einem Land des Unglaubens und das Leben unter den Ungläubigen verbieten. Ich bin jetzt unschlüssig darüber geworden, ob ich lieber in mein Heimatland zurückkehren sollte oder ob ich hier bleiben kann, da ich ja weiß, dass wenn ich in mein Heimatland zurückkehre sollte, mich dort nur Einschränkungen und Leid erwarten würden, da ich mich an die Gesetze Allahs strikt halte. Ich kann dort diese Freiheit nicht vorfinden die ich brauche, um meinen islamischen Pflichten nachzukommen, so wie ich sie hier in diesem Land, wo ich derzeit lebe, vorfinde.

Ich bitte Sie um eine Antwort auf meine Frage und um Klarheit bezüglich meines Aufenthalts in diesem Land. Außerdem sei hier noch anzumerken, dass die muslimischen Länder sich nicht mehr all zu stark von den anderen (westlichen) Ländern unterscheiden, da auch sie sich nicht mehr an die Gesetze Allahs halten.

 

Antwort:

Alles Lob gehört Allah.

Grundsätzlich gilt, dass es einem Muslim nicht gestattet ist, sich unter Muschrikin aufzuhalten. Dies belegen die Beweise aus dem Buch, aus der Sunnah und aus der richtigen Sichtweise.

Was die Beweise aus dem Buch betreffen, so hat der erhabene Allah gesagt:

"Diejenigen, die die Engel abberufen, während sie sich selbst Unrecht tun, (zu jenen) sagen sie: „Worin [1] habt ihr euch befunden?“ Sie sagen: „Wir waren Unterdrückte im Lande.“ Sie (die Engel) sagen: „War Allahs Erde nicht weit, so dass ihr darauf hättet auswandern können?“ Jene aber, - ihr Zufluchtsort wird die Hölle sein, und (wie) böse ist der Ausgang!" [2]

Was die Beweise aus der Şunnah betreffen, so hat der Prophet – Möge Allah ihn loben und Heil schenken – gesagt:

„Ich sage mich von jedem Muslim los, der unter den Ungläubigen lebt.“ [3]

Was die richtige Sichtweise anbetrifft, so kann ein Muslim, der unter Ungläubigen lebt, vielen der Kulthandlungen des Islams nicht nachkommen, vor allem die Handlungen, die nach außen sichtbar sind. Hierbei sei erst einmal außer Acht gelassen, dass er sich selbst der Versuchung aussetzt, da in diesen Ländern alles Sittenwidrige legitimiert wurde und durch Gesetze geschützt wird. Ein Muslim sollte sich daher nicht selbst diesem Übel und dieser Versuchung aussetzen.

Das ist der Standpunkt, wenn wir rein die Beweise aus dem Buch und aus der Şunnah in Betrachtung ziehen und die heutige Situation der islamischen Länder und die der Ungläubigen außer Acht lassen. Wenn wir uns jedoch die jetzige Situation der islamischen Länder anschauen, so sind wir mit dem Fragenden nicht einer Meinung bezüglich seiner folgenden Aussage: „Außerdem sei hier noch anzumerken, dass die muslimischen Länder sich nicht mehr all zu stark von den anderen (westlichen) Ländern unterscheiden, da auch sie sich nicht mehr an die Gesetze Allahs halten.“

Diese Verallgemeinerung ist nicht zulässig. Die islamischen Länder befinden sich nicht alle auf derselben Stufe im Bezug auf das sich entfernen oder annähern an die islamischen Gesetze. Im Gegenteil, sie unterscheiden sich untereinander enorm. Selbst innerhalb eines einzigen Landes, gibt es Unterschiede zwischen den Gebieten und Städten.

Auch die Länder des Unglaubens befinden sich bezüglich des legitimieren des Übels und des Sittenverfalls nicht auf einer Stufe. Auch sie unterscheiden sich diesbezüglich untereinander enorm.

Betrachtet man nun die folgenden Tatsachen, nämlich dass es unter den islamischen Ländern und unter den Länder des Unglaubens enorme Unterschiede gibt, und dass ein Muslim nicht in jedes islamische Land auswandern darf, um dort zu leben – da dort nun Gesetze existieren, die ein Visum, eine Aufenthaltsgenehmigung oder ähnliches fordern – und dass der Muslim in einigen der islamischen Länder seine Religion nicht frei praktizieren kann und im Gegensatz dazu in einigen Ländern des Unglaubens zumindest einen Teil davon dort frei praktizieren kann, so ist es unmöglich, einen allgemeingültigen Rechtspruch herauszubringen, der für alle Länder und für alle Personen gleichermaßen gelten soll. Im Gegenteil! Es muss gesagt werden, dass jeder Muslim seine ganz spezielle Situation besitzt, die einen Rechtsspruch benötigt, der speziell nur auf ihn gilt. Jede Person sollte sich daher selbst zur Rechenschaft ziehen. Wenn ein Aufenthalt in einem islamischen Land für seine Religion besser ist, als ein Aufenthalt in einem Land des Unglaubens, so wird für ihn die Auswanderung zur Pflicht und der Aufenthalt in einem Land des Unglaubens verboten. Wenn jedoch das Gegenteil der Fall ist, so ist es ihm erlaubt, sich im Land des Unglaubens aufzuhalten, jedoch unter der Voraussetzung, dass er sich selbst davor sicher sein kann, nicht in Versuchung, der dort im Übermaß gegeben ist, zu geraten, und dass er sich selbst mit den islamisch erlaubten Mitteln schützen kann.

Nun folgen die Aussagen der Leute des Wissens, die diese vorherigen Aussagen untermauern sollen:

Scheich Ibn ’Uthaimīn – möge Allah mit ihm barmherzig sein – wurde bezüglich dieser Thematik befragt, worauf er antwortete: „Diese Thematik gehört zu den problematischsten Angelegenheiten dieser Zeit, wenn man die Unterschiede unter den islamischen Ländern mit in das Urteil in Betracht zieht (so wie wir es am Anfang unserer Antwort erwähnt haben). Außerdem müssen einige Muslime, die sich in Ländern des Unglaubens befinden befürchten, dass wenn sie in ihren Heimatländern zurückkehren, sie verfolgt, gefoltert und bezüglich ihrer Religion in Versuchung gebracht werden. Im Gegensatz dazu fühlen sie sich in den Ländern des Unglaubens sicher. Wenn wir nun zu ihnen sagen sollten: Euch ist es nicht erlaubt, unter den Ungläubigen zu leben, wo sind dann die islamischen Länder, die diese Muslime aufnehmen und ihnen erlauben würden, in ihren Ländern zu leben?!“

Das ist ungefähr das, was er – möge Allah mit ihm barmherzig sein – sinngemäß dazu gesagt hat.

 

Zakariya al-Anşārī asch-Schāfi’ī hat in seinem Buch „Die glänzenden Forderungen“ (Aşna al-Matālib) gesagt: „Das Auswandern aus dem Land des Unglaubens in das Land des Islam ist für denjenigen eine Pflicht, der dies vollziehen kann und dem es untersagt wird, seine Religion offen zu praktizieren.“ [4]

Ibn al-’Arabi al-Mālikī hat gesagt: „Die Hidjrah ist das auswandern aus dem „Gebiet des Krieges“ (Dar al-Ĥarb) in das „Gebiet des Islam“ (Dār al-Islām). Sie war eine Pflicht zur Zeit des Propheten – Möge Allah ihn loben und Heil schenken – und wird für all diejenigen eine Pflicht bleiben, die Angst um sich selbst haben.“ [5]

Al-Ĥāfidh Ibn Ĥadjar hat bezüglich der Aussage des Propheten – möge Allah ihn loben und Heil schenken – „Ich sage mich von jedem Muslim los, der unter den Ungläubigen lebt“ [6] gesagt: „Dies gilt für denjenigen, der sich um seine Religion willen, nicht sicher ist.“ [7]

Im Lexikon der islamischen Rechtsnormen (al-Mauşū’ah al-Fiqhiyah) heißt es:

Gebiet des Krieges:             Damit ist jeder Fleck (Erde) gemeint, in dem darin die Gesetze des Unglaubens offen herrschen. Zu den Gesetzen, die sich auf das „Gebiet des Krieges“ beziehen, ist das Auswandern. Die Gelehrten haben die Personen, auf die sich die Auswanderung aus dem „Gebiet des Krieges“ bezieht, in drei Kategorien aufgeteilt:

Erstens:          Derjenige, für den es Pflicht ist auszuwandern. Dies ist jener, der dazu fähig ist und dem es nicht möglich ist, im „Gebiet des Krieges“ seine Religion offen zu praktizieren, wenn er weiterhin im „Gebiet des Krieges“ bleibt. Wenn es eine Frau ist, die kein Maĥram findet (der mit ihr auswandert), so ist es für sie nur dann Pflicht, wenn sie sich diese Strecke aus Sicherheitsgründen zumuten kann oder wenn die Angst bezüglich der Strecke geringer ist, als die Angst die sie hat, wenn sie sich weiterhin im „Gebiet des Krieges“ aufhält […].

Zweitens:       Derjenige, für den es keine Pflicht ist auszuwandern. Dies ist jener, der dazu nicht fähig ist, weil er entweder eine Krankheit hat oder weil er gezwungen wird, im „Gebiet des Krieges“ zu bleiben oder aus Schwäche, wie Frauen und Kinder, da der erhabene Allah gesagt hat:

"Ausgenommen die Unterdrückten unter den Männern, Frauen und Kindern, die keine Möglichkeit haben auszuwandern und auf dem Weg nicht rechtgeleitet sind." [8]

Drittens:         Derjenige, dem es geraten wird auszuwandern, jedoch dies für ihn keine Pflicht ist. Dies ist jener, der zwar dazu fähig ist, er jedoch gleichzeitig seine Religion im „Gebiet des Krieges“ offen praktizieren kann. Diesem wird nahegelegt, trotzdem auszuwandern, um sich selbst den Jihad zu ermöglichen und um die Anzahl der Muslime (im „Gebiet des Islam“) zu stärken.“ [9]

In der islamischen Rechtsprechung (Fatwah) des Ständigen Ausschusses der Gelehrten (al-Ladjnah ad-Dā’imah) heißt es:

„Die Hidjrah gilt auch für das Auswandern aus einem Land des Unglaubens in ein anderes Land des Unglaubens, wo das Übel jedoch geringer und dessen Gefahr auf den Muslim weniger ist, so wie auch einige Muslime durch die Aufforderung des Propheten – Möge Allah ihn loben und Heil schenken – aus Mekka nach al-Ĥabaschah auswanderten.“ [10]

Wir bitten den erhabenen Allah darum, die Lage der Muslime zu bessern.

Und Allah weiß es am besten!

 

 

 

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[1] D.h.: In was für Umständen

[2] Sure 4, an-Nişā´, Vers 97

[3] Diesen Ĥadīth überlieferte Abu Dāwūd (2645) und hat al-Albānī in „Şaĥiĥ Abī Dāwūd“ als authentisch eingestuft.

[4] Band 4, S. 207

[5] Aus der Buchreihe Nail al-Autār von Imam asch-Schaukānī, Band 8, S. 33

[6] Diesen Ĥadīth überlieferte Abu Dāwūd (2645) und hat al-Albānī in „Şaĥiĥ Abi Dawud“ als authentisch eingestuft

[7] Fatĥ al-Bārī; die Erklärung des Ĥadīths mit der Nr. 2825

[8] Sure 4, an-Nişā´, Vers 98

[9] Band 20, S. 206

[10] Band 12, S. 50

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