Der aufrichtige Ratschlag (an-Naşīĥah)

Muşlim überlieferte den Ĥadīth von Tamīm ad-Dāri – Allahs Wohlgefallen auf ihm – der gesagt hat: Der Prophet – möge Allah ihn loben und Heil schenken – sagte: „Religion ist Naşīĥah.“ Wir fragten: „Wem gegenüber?“ Er sagte: „Gegenüber Allah, Seinem Buch, Seinem Gesandten, den Führern und der breiten Masse der Muslime.“

Dies ist ein sehr bedeutender Ĥadīth. Einige Şalaf haben sogar gesagt, dass dieser Ĥadīth ein Viertel der Religion ausmacht. Das heißt, dieser Ĥadīth gehört zu den vier Ĥadīthen, auf denen diese Religion aufgebaut ist.

An-Naşīĥah bedeutet sprachlich: Aufrichtigkeit (Ichlāş), das Befreien einer Sache von Verunreinigungen bzw. das Beseitigen von Makel. Aus der Sicht der islamischen Rechtslehre (Scharī’ah) umfasst dieses Wort alles. Deshalb ließ sie der Gesandte Allahs die ganze Religion bedecken. Wenn die Naşīĥah verloren geht, geht die ganze Religion verloren.

Die Naşīĥah gegenüber Allah heißt, dass man Ihn allein anbetet, nur Ihn anfleht und das befolgt, was Er gebietet hat und das sein lässt, was Er verboten hat. Die Naşīĥah gegenüber dem Buch Allahs heißt, dass man es auf Beste Art und Weise rezitiert, seine Bedeutungen versteht und auch danach handelt. Die Naşīĥah gegenüber den Gesandten Allahs – möge Allah ihn loben und Heil schenken – heißt, dass man ihn liebt, ihm gehorcht und seiner Şunnah folgt. Die Naşīĥah gegenüber den Führern der Muslime umfasst die Naşīĥah gegenüber den Fürsten und den Gelehrten. Die Naşīĥah gegenüber den Fürsten heißt, dass man sie von der Ungerechtigkeit abbringt, die Muslime hinter sie vereint und ihnen beim Verrichten des Guten hilft. Die Naşīĥah gegenüber den Gelehrten heißt, dass man sie achtet, ihr Wissen weiterverbreitet und gut über sie denkt. Die Naşīĥah gegenüber der breiten Masse der Muslime heißt, dass ihnen all das Gute gewünscht wird, was man auch für sich selbst wünscht, dass man sie zu dem leitet, was ihrer Religion und ihren Jenseits Nutzen bringt und dass man sie nicht betrügt.

Der erhabene Allah hat Seine edlen Gesandten geschickt, damit sie ihren Völkern einen aufrichtigen Rat geben. Der erhabene Allah sagte über Nūĥ – möge Allah ihn loben: "Ich überbringe euch die Botschaften meines Herrn und gebe euch aufrichtigen Rat, und ich weiß durch Allah, was ihr nicht wisset." [1] Er sagte über Hūd – möge Allah ihn loben: "[…] und ich bin euch ein aufrichtiger und getreuer Ratgeber." [2] Und Er sagte auch über Şāliĥ – möge Allah ihn loben: "[…] und (ich) bot euch aufrichtigen Rat an; ihr aber liebt die Ratgeber nicht." [3]

Die Naşīĥah ist eine Pflicht eines Muslims einem anderen Muslim gegenüber. Muşlim hat in seinem Şaĥiĥ den Ĥadīth von Abu Hurairah – Allahs Wohlgefallen auf ihm – überliefert, der gesagt hat: Der Gesandte Allahs – möge Allah ihn loben und Heil schenken – hat gesagt: „Ein Muslim hat einem anderen Muslim gegenüber sechs Pflichten, das sind: Wenn du ihn triffst, grüße ihn (indem du aş-Şalamu ’Alaikum sagst). Wenn er dich einlädt, sollst du seine Einladung annehmen. Wenn er dich um Rat bittet, rate ihm aufrichtig. Wenn er niest und Allah (mit den Worten „Alĥamdu lillah“) lobt, dann antworte ihm (mit den Worten „Yarĥamuk Allah“). Wenn er krank ist, sollst du ihn besuchen, und wenn er gestorben ist, folge ihm (seinem Begräbniszug).“

Al-Buchari hat den Ĥadīth von Djarir Ibn ’Abdullah – Allahs Wohlgefallen auf ihm – überliefert der gesagt hat, dass er dem Gesandten Allahs – möge Allah ihn loben und Heil schenken – den Treueschwur leistete, dass er das Gebet verrichtet, die Zakah entrichtet und jedem Muslim aufrichtigen Rat erteilen wird. At-Tabarani hat überliefert, dass eines Tages Djarir einem Mann ein Pferd abgekauft hat. Der Verkäufer sagte: „Das Pferd kostet Dreihundert.“ Djarir sagte daraufhin: „Das Pferd ist aber mehr Wert, als nur Dreihundert.“ Das ging dann eine Weile hin und her, bis Djarir ihm am ende das Pferd für Achthundert abgekauft hat.

Ibn Ĥibbān hat seinerseits überliefert, das immer, wenn Djarir etwas gekauft oder verkauft hat, er seinem Gegenüber sagte: „Wisse, dass das, was wir von dir genommen haben, uns lieber ist als das, was wir dir gegeben haben. Deshalb entscheide selbst.“ Außerdem hat Abu Dawud über Abu Hurairah und at-Tabarani überliefert, dass Anaş – Allahs Wohlgefallen auf ihm – gesagt hat: Der Gesandte Allahs – möge Allah ihn loben und Heil schenken – hat gesagt: „Ein Mu`min ist der Spiegel des anderen Mu`min.“ [4]

Das soll heißen, dass ein Mu`min seinem Bruder berät und ihm seine Mängel zeigt, so als würde er sich selbst in einem Spiegel betrachten.

Unsere rechtschaffenen Şalaf – Allahs Wohlgefallen auf sie alle – haben sich stets gegenseitig beraten. Sie haben jedem einen aufrichtigen Ratschlag gegeben, auch wenn der andere vielleicht viel älter, wissender oder mächtiger war. Außerdem warnten sie vor denen, die einen aufrichtigen Ratschlag abgelehnt haben.

Ibn Maş’ūd sagte bezüglich der Erklärung der Bedeutung des Verses,"Und wenn ihm gesagt wird: „Fürchte Allah“, überwältigt ihn sündhafter Stolz." [5] folgendes: „Es ist jener Mann, der, wenn ihm ein Bruder einen aufrichtigen Ratschlag gibt, er wie folgt darauf antwortet: „Kümmere dich und dich selbst“ oder „so einer wie du hat mich nicht zu beratschlagen“.“

Unsere rechtschaffenen Şalaf – Allahs Wohlgefallen auf sie alle – hatten religiöse Haltungen gegenüber Herrscher, die beachtlich und beispiellos waren. Sie haben den Vorwurf der Tadelnden nicht gefürchtet, im Gegenteil. Hier einige ihrer standhaften Haltungen:

  • Muĥammad Ibn Şirīn kam eines Tages zu Ibn Hubairah, dem damaligen Fürsten (Amīr) von al-Başrah. Der Fürst sagte zu Ihm:„Was hast du alles auf dem Wege zu uns gesehen?“ Er antwortete: „Ich sah diese Ungerechtigkeit, die hier überall offenkundig herrscht!“ Der Neffe von Ibn Şirin zwinkerte ihm zu, er solle lieber schweigen. Doch Ibn Şirin sagte zu ihm: „Du wurdest nicht gefragt, ich jedoch schon.“ Als sie dann weggingen, ließ der Fürst Ibn Şirin dreitausend Dinar zukommen. Doch er nahm es nicht an.
  • Şufyān ath-Thauri kam eines Tages zum Kalifen al-Mahdi. Er hat ihm einen aufrichtigen Ratschlag gegeben, wobei seine Worte dabei etwas rau wurden. Ein Minister des Kalifen sagte daraufhin: „So etwas hat der Führer der Gläubigen niemals gesagt.“ Şufyān ath-Thauri antwortete: „Schweig! Pharao ist letztendlich wegen Haman untergegangen.“ Als Şufyān ath-Thauri ging, sagte der Minister zum Kalifen: „Erlaubst du mir, dass ich ihm seinen Hals abschlage?“ Al-Mahdi antwortete: „Schweig! Auf dieser Erde ist niemand geblieben, der es verdient hätte, dass man sich vor ihm schämt, außer dieser Mann.“
  • Imam an-Nawawi – möge Allah mit ihm gnädig sein – hat adh-Dhahir Bebarş stets einen aufrichten Ratschlag gegeben. Adh-Dhahir hat daraufhin eines Tages gesagt: „Ich fürchte mich vor diesem Mann. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, sehe ich einen Löwen vor mir.

 

 

 

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[1] Sure 7, al-A’rāf, Vers 62

[2] Sure 7, al-A’rāf, Vers 68

[3]Sure 7, al-A’rāf, Vers 79

[4] Diesen Ĥadīth hat al-Albani in seinem Şaĥīĥ al-Djām’ (Nr. 6655) als authentisch eingestuft.

[5] Sure 2, al-Baqarah, Vers 206

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