Das Scheinargument:
Die Shīʿa stützen sich auf die folgende Aussage Allahs, um die Unfehlbarkeit (ʿIṣma) ihrer Imame zu beweisen:
﴿يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا أَطِيعُوا اللَّهَ وَأَطِيعُوا الرَّسُولَ وَأُولِي الْأَمْرِ مِنكُمْ ۖ فَإِن تَنَازَعْتُمْ فِي شَيْءٍ فَرُدُّوهُ إِلَى اللَّهِ وَالرَّسُولِ إِن كُنتُمْ تُؤْمِنُونَ بِاللَّهِ وَالْيَوْمِ الْآخِرِ ۚ ذَٰلِكَ خَيْرٌ وَأَحْسَنُ تَأْوِيلًا﴾
"O die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch! Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor Allah und den Gesandten, wenn ihr wirklich an Allah und den Jüngsten Tag glaubt. Das ist am besten und am ehesten ein guter Ausgang."1
Der Shīʿa-Gelehrte al-Ḥillī (gest. 1325 n. Chr.) sagte: „Das Begehen von Fehlern durch den Imam führt zu einem Widerspruch. Und alles, was zu einem Widerspruch führt, ist unmöglich. Daher ist es unmöglich, dass der Imam Fehler begeht. Was die erste Prämisse betrifft, so wurde dies durch den ehrwürdigen Vers bewiesen: "O die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch!"2 Der Vers verbietet, jemandem zu folgen, der Fehler begeht, und hat durch die Worte "und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch" die ständige Verpflichtung festgelegt, dem Imam zu folgen. Wenn er in irgendeiner Form Fehler machen könnte, würde dies zu einem Widerspruch führen; denn dann wäre der Gläubige gleichzeitig verpflichtet und verboten, einer Sache zu folgen. Dies zeigt, dass Unfehlbarkeit zwingend erforderlich ist - in welcher Form auch immer - und das ist unsere Schlussfolgerung.“3
Antwort auf das Scheinargument:
Die Herleitung und Argumentation von al-Ḥillī ist aus mehreren Gründen falsch:
Erstens: Der Vers spricht von der allgemeinen Führerschaft, nicht von den spezifischen Imamen.
Die Aussage hat keinerlei Bezug zu den von den Schiiten behaupteten Imamen, weder direkt noch indirekt. Der Vers bezieht sich vielmehr auf jeden, der eine Führungsrolle über die Muslime innehat, sei es eine allgemeine oder eine spezielle Wilāya. Dies haben auch schiitische Gelehrte selbst zugegeben.
So sagte der Shīʿa-Gelehrte Muḥammad Āṣif Muḥsinī (gest. 2019 n. Chr.): „Es ist angebracht, dass mit ‚Ulū l-Amr‘ diejenigen gemeint sind, deren Autorität zur Zeit des Gesandten Allahs ﷺ bestand, sowie in Fällen, in denen Streitigkeiten direkt dem Gesandten Allahs ﷺ vorgelegt wurden. Dazu zählen auch jene, denen der Gesandte Allahs bestimmte Aufgaben und Positionen zur Verwaltung des Volkes, zur Regelung von Angelegenheiten und zur Führung von Armeen und Kriegen übertragen hatte. Jeder, dessen Führerschaft rechtlich über die Muslime bestätigt wurde, sei es eine allgemeine oder spezielle Wilāya, über alle Muslime oder nur über einige von ihnen, muss von den Untergebenen gehorcht werden. Was jedoch die spezifischen Eigenschaften dieser Ulū l-Amr betrifft, so müssen diese aus anderen Belegen entnommen werden, da der Vers selbst nicht dazu dient, sie darzulegen.“4
Demnach umfasst der Vers jeden, der eine allgemeine oder spezielle Führungsposition innehatte, wie beispielsweise die Heerführer und Befehlshaber, die der Gesandte Allahs ﷺ zu Kriegen entsandte, sowie all jene, die die Angelegenheiten der Muslime während seiner Zeit oder danach regelten. Was hat dies mit der Imāma zu tun, wie es die Zwölfer-Shīʿa verstehen?
Zweitens: Die Ungültigkeit der Überlieferungen, die die Wilāya ausschließlich den Imamen zuschreiben.
Selbst die schiitischen Überlieferungen, die behaupten, dass Ulū l-Amr auf die Imame beschränkt seien, sind fehlerhaft und weder in Bezug auf die Überlieferungskette noch inhaltlich korrekt, wenn es um die Interpretation der Verse geht, auf die sie sich stützen. So sagte Muḥammad Āṣif Muḥsinī: „Kapitel 4: Über die Offenbarung der Āya "Euer Waliyy ist [allein] Allah."5 in Bezug auf ihn (ʿAlī). Es gibt in diesem Kapitel keine Überlieferung aus unseren Quellen, die hinsichtlich der Überlieferungskette als zuverlässig gilt.“6
Drittens: Kein Beweis für eine ausschließliche Zuweisung.
Selbst wenn wir hypothetisch die Annahme akzeptieren würden, dass die überlieferten Berichte gültig und zuverlässig sind, welche die Imame als Ulū l-Amr ausweisen, so handelt es sich hierbei nicht um eine ausschließliche Zuweisung. Vielmehr ist dies als eine Auslegung anhand eines Beispiels oder einer herausragenden Persönlichkeit zu verstehen und nicht als Einschränkung der Wilāya ausschließlich auf sie. Dies wurde auch von Gelehrten der Imāmiyya eingeräumt.
So sagt der Shīʿa-Gelehrte Kāẓim al-Ḥāʾirī: „Denn dieser Stil - die Auslegung anhand einer herausragenden Persönlichkeit - ist in den Überlieferungen zur Qurʾān-Exegese verbreitet, wie in der Überlieferung über die Auslegung von ‚die Wahrhaftigen‘ in der Aussage Allahs: "Und seid mit den Wahrhaftigen"7 als Verweis auf die Imame. Ebenso wurde ‚Ulū l-Amr‘ in der Aussage Allahs: "O die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch!"8 auf ʿAlī, al-Ḥasan und al-Ḥusain (a) ausgelegt.“9
Auf dieser Grundlage, basierend auf dem erwähnten Bericht zur Auslegung von Ulū l-Amr als ʿAlī, al-Ḥasan und al-Ḥusain:
Wenn wir sagen, dass dies ausschließlich ist, würden wir dadurch verhindern, dass neun weitere von ihnen in die Wilāya einbezogen werden, da es keinen Textbeweis dafür gibt. Dies führt zu dem Problem, dass die Interpretation des Maʿṣūm (Unfehlbaren) als ausschließliche Zuordnung verstanden wird, obwohl es keine Belege für diese Einschränkung gibt.
Sollten die Imāmiyya jedoch argumentieren, dass es sich dabei nicht um eine exklusive Beschränkung handelt, entgegnen wir: Dann gebt ihr zu, dass es sich nicht um eine ausschließliche Beschränkung handelt, sondern um eine beispielhafte oder hervorgehobene Nennung, wie al-Ḥāʾirī gesagt hat. Daraus ergibt sich, dass ihr euch darauf einlassen müsst, die Interpretation als exemplarisch und nicht als exklusiv zu betrachten. Dadurch werden auch andere als die Imame in die Kategorie von Ulū l-Amr aufgenommen, und zwar aus demselben Grund, aus dem auch andere als die genannten drei in die Bedeutung einbezogen werden. So teilen sie alle denselben Zugang zu dieser Bedeutung.
Viertens: Der Widerspruch der Imāmiyya zu diesem angeblichen Ausschluss.
Dies ist eine Kuriosität, denn die Gelehrten der Imāmiyya haben die Anwendung dieser Qurʾān-Stelle in der Zeit der Verborgenheit (Ghaiba) auf die Fuqahāʾ (Rechtsgelehrten) und die Marājiʿ (religiösen Autoritäten) übertragen - oder allgemein auf Herrscher, die die gesetzlichen Bedingungen erfüllen!
Der Shīʿa-Gelehrte Muḥammad Taqī al-Mudarrisī sagte: „Dieser Wert wird durch die Herrschaft Allahs auf der Erde verwirklicht, die sich in der Führung des Gesandten Allahs ﷺ und derjenigen widerspiegelt, die nach ihm Ulū l-Amr sind und seine Botschaft verkörpern. Sie waren die Mitglieder seiner Familie. Doch heute sind es die Träger der Botschaft Allahs auf Erden, in jeder Bedeutung des Wortes.“10
Wenn die Bedeutung der Qurʾān-Stelle tatsächlich die ausschließliche Beschränkung auf die Imame wäre, so wäre die Einbeziehung von Gelehrten, Fuqahāʾ (Rechtsgelehrten) und Herrschern, die die Voraussetzungen erfüllen, ungültig. Doch die Imāmiyya hat dies korrigiert. Entweder widersprechen sie ihrem eigenen Grundsatz oder sie glauben nicht an die Richtigkeit dessen, was sie theoretisch begründet haben, und handeln in der Praxis anders - während sie theoretisch dessen Ablehnung zugestehen. Dies wird in den Worten von al-Mudarrisī deutlich, der es noch weiter verdeutlicht, indem er sagt: „Die Ulū l-Amr sind die natürliche Verlängerung des Gesandten Allahs ﷺ. Sie sind seine Ahlu l-Bayt nach ihm, die Gelehrten über Allah, die Treuhänder über Sein Erlaubtes und Verbotenes, die Fähigen, Seine Angelegenheiten auszuführen, die Geduldigen und Gottesfürchtigen. Folglich sind sie die gehorsamsten Menschen gegenüber Allah und die Ihm Nahestehendsten in der Befolgung des Weges Seines Gesandten. Dies wird heute durch die Träger der Botschaft Allahs auf Erden verwirklicht, wo auch immer sie sind.“11
Auch al-Mudarrisī ist mit dieser Aussage nicht allein. Der Shīʿa-Gelehrte Ḥusain ʿAlī al-Muntaẓirī (gest. 2009 n. Chr.) teilt eine ähnliche Ansicht, indem er sagt: „Wir haben in der Erklärung von Allahs Aussage: "O die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch!"12 dargelegt, dass der allgemeine Sinn der Verse all jene einschließt, die rechtmäßig die Befehlsgewalt innehaben – selbst wenn sie durch Wahl bestimmt wurden –, sofern sie die notwendigen Bedingungen erfüllen und die Wahl auf korrekten Grundlagen basiert.“13
Wenn die Auslegung auf den Ijtihād der Gelehrten der Imāmiyya und deren Verständnis zurückzuführen ist, wie zuvor erwähnt, dann wird al-Muḥsinīs Kritik an diesen Überlieferungen und deren Schwächung zweifelsfrei bestätigt. Ebenso bezweifelt kein vernünftiger Mensch, dass diese Ansicht den Anspruch, die Verse ausschließlich auf die Imame zu beziehen, vollständig widerlegt – geschweige denn ihre Bedeutung für deren Unfehlbarkeit, da die Verse auch andere, wie Gelehrte oder Herrscher, einbeziehen.
Fünftens: Ausschluss der Ulū l-Amr bei Streitfällen im Kontext von Gerichtsbarkeit.
Wenn die Verse, wie von der Imāmiyya behauptet, den Ulū l-Amr – nach Auffassung ihrer Gruppe die Imame – bedingungslose Gehorsam vorschreiben, warum erwähnt Allah dann nicht die Verpflichtung, sich bei Streitfällen an sie zu wenden? In der entsprechenden Stelle sagt Er: "Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor Allah und den Gesandten."14
Um dieses Problem zu lösen, haben die Gelehrten der Imāmiyya verschiedene Ansätze versucht, jedoch sind alle fragwürdig. Zu diesen Ansätzen gehören:
1. Die Behauptung, dass im Vers eine Auslassung vorliegt.
Es wird behauptet, dass Allah, erhaben ist Er, den Hinweis auf die Ulū l-Amr ausgelassen hat, indem Er Sich auf den Zusammenhang am Anfang des Verses stützte, wo sie bereits erwähnt wurden. Der Shīʿa-Gelehrte Muḥammad Taqiyy al-Ḥakīm (gest. 2002 n. Chr.) sagt: „Das dritte Problem bleibt bestehen, nämlich dass in der Verpflichtung, sich bei Streitigkeiten an die Ulū l-Amr zu wenden, diese nicht explizit erwähnt werden. Stattdessen beschränkt sich die Erwähnung ausschließlich auf Allah und den Gesandten. Dieses Problem ist leicht zu lösen, denn eine Auslassung ist erlaubt, sofern auf den Zusammenhang Bezug genommen wird. Am Anfang des Verses wurde bereits festgestellt, dass ihre Gehorsamspflicht mit der gegenüber Allah und dem Gesandten gleichgesetzt ist.“15
Die Antwort darauf lautet: Diese Erklärung ist aus zwei Gründen unvollständig:
a. Die Auslassung widerspricht dem Grundsatz und erfordert einen klaren Hinweis. Der Hinweis, den al-Mudarrisī zur Unterstützung anführt, ist selbst Gegenstand der Diskussion. Er verwendet den strittigen Punkt als Beweis für denselben strittigen Punkt, was ein zirkuläres und daher fehlerhaftes Argument darstellt.
b. Wenn die Auslassung von „Ulū l-Amr“ auf deren vorherige Erwähnung gestützt wäre, warum gilt dies dann nicht ebenso für den Gesandten ﷺ? Der Gesandte ﷺ wird bei der Verpflichtung zur Rückführung von Streitigkeiten erneut genannt, obwohl er bereits zuvor erwähnt wurde. Dies legt nahe, dass die gesonderte Nennung von Allah und Seinem Gesandten ein starkes Indiz dafür ist, dass Ulū l-Amr nicht in diese Regelung einbezogen sind.
2. Beweis für die Rückführung an Ulū l-Amr durch eine andere Qurʾān-Stelle.
Es wird argumentiert, dass die Rückführung an Ulū l-Amr, auch wenn sie nicht in dieser spezifischen Stelle erwähnt wird, in einer anderen Qurʾān-Stelle thematisiert ist, nämlich in der Aussage Allahs: "Wenn sie es jedoch vor den Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter ihnen brächten, würden es wahrlich diejenigen unter ihnen wissen, die es herausfinden können."16
Dazu erklärt der Shīʿa-Gelehrte Muhammad Taqiyy al-Ḥakīm: „Diese Bedeutung wird durch die zweite Stelle bekräftigt: "Wenn sie es jedoch vor den Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter ihnen brächten, würden es wahrlich diejenigen unter ihnen wissen, die es herausfinden können."“17
Die Antwort: Diese Āya weist nicht auf das Geforderte hin.
Diese Āya eignet sich nicht als Beweisstelle, da sie keinerlei Hinweis darauf enthält, dass Streitfälle und Meinungsverschiedenheiten unbedingt an Ulū l-Amr – im Sinne der Imame – zurückzuführen sind. Dies liegt am Unterschied der Angelegenheit, auf die in den beiden Āyāt Bezug genommen wird:
In der ersten Āya geht es um die Rückführung einer Angelegenheit religiöser Natur, um eine rechtliche Entscheidung hinsichtlich Erlaubnis oder Verbot zu erlangen. Daher ist es angemessen, dass die Rückführung an Allah und den Gesandten ﷺ erfolgt.
In dieser Āya hingegen betrifft die Angelegenheit eine weltliche und keine religiöse Frage. Aus diesem Grund war es passend, die Rückführung an Allah, den Erhabenen, hier nicht zu erwähnen.
Der Shīʿa-Gelehrte aṭ-Ṭabāṭabāʾī (gest. 1981 n. Chr.) sagte: „Die Worte Allahs, "Wenn sie es jedoch vor den Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter ihnen brächten, würden es wahrlich diejenigen unter ihnen wissen, die es herausfinden können."18, erwähnen hier nicht die Rückführung zu Allah, wie es in der Āya "Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor Allah und den Gesandten"19 der Fall ist. Denn die Rückführung, die dort erwähnt wird, bezieht sich auf ein umstrittenes religiöses Urteil, in das niemand außer Allah und Sein Gesandter eingreifen kann. Die Rückführung, die hier erwähnt wird, bezieht sich hingegen auf eine Nachricht, die unter den Menschen verbreitet wurde, ob es sich um Sicherheit oder Furcht handelt. Eine Rückführung zu Allah und Seinem Buch wäre hier unpassend, da diese Angelegenheiten in die Zuständigkeit des Gesandten und der Ulū l-Amr unter ihnen fallen. Hätte man die Angelegenheit an sie zurückverwiesen, hätten sie diese durch ihren Verstand ergründen können und den Rückfragenden die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit, Wahrheit oder Unwahrheit dieser Nachricht mitteilen können.“20
Aus diesem wird deutlich, dass die Āya über Ulū l-Amr sich auf die Rückführung eines umstrittenen religiösen Urteils bezieht. Diese Rückführung geschieht ausschließlich zu Allah und Seinem Gesandten, da niemand anderes darin zuständig ist. Die Āya in Sure al-Nisāʾ hingegen bezieht sich auf verbreitete Nachrichten und Ereignisse, die die Menschen hinsichtlich Sicherheit oder Furcht betreffen. In solchen Fällen liegt die Rückführung bei den Ulū l-Amr, die mit den Angelegenheiten der Menschen betraut sind, da sie über das beste Wissen zu den Belangen ihrer Untergebenen verfügen.
3. Behauptung der Abänderung (Taḥrīf) der Āya.
Dies ist das, was die Gelehrten der Imāmiyya äußerten, und es ist ihre Zuflucht, wenn sie keinen anderen Weg finden, ihre Überzeugungen zu stützen. Der leichteste Weg, den sie einschlagen, ist der Angriff auf das weise Buch, den Qurʾān.
Der Shīʿa-Gelehrte al-Qummī (gest. 941 n. Chr.) überlieferte mit seiner Überlieferungskette von Ḥarīz von Abū ʿAbdillāh (a), dass er sagte: „Es wurde offenbart: "Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es zurück zu Allah, zum Gesandten und zu den Ulū al-Amr unter euch."“21
Wie jedem bekannt sein dürfte, existiert diese Āya in dieser Form nicht im edlen Buch. Der Shīʿa-Gelehrte al-Majlisī (gest. 1699 n. Chr.) kommentierte diesen Bericht wie folgt: „Erläuterung: Dies deutet darauf hin, dass es in ihrem (Shīʿa) Muṣḥaf ‚so bringt es zurück‘ (fa arjiʿūhu) anstelle von ‚so bringt es vor‘ (fa ruddūhu) hieß. Es könnte auch eine Interpretation dessen sein. Und es deutet darauf hin, dass darin die Aussage ‚und zu den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch‘ enthalten war. Dies zeigt, dass die Ulū l-Amr nicht zu denjenigen gehören, die mit der Aussage "Wenn ihr miteinander über etwas streitet" angesprochen werden, wie es die Ausleger der Abweichenden [Sunniten] behaupteten.“22
Dies ist die Bedeutung, die al-Majlisī übernommen hat: dass die Aussage auf einer Interpretation beruhe und nicht auf der ursprünglichen Offenbarung. Wir können jedoch nicht nachvollziehen, wie al-Majlisī diese Ansicht vertreten konnte, wo doch das Wort im Bericht des Imāms Abū ʿAbdillāh eindeutig lautet: „Es wurde offenbart (nazalat).“
Dennoch widerspricht sich al-Majlisī selbst in seinem Kommentar zu dem Bericht von Buraid al-ʿIjlī, der eine Abänderung derselben Āya erwähnt, jedoch in einer anderen Formulierung als bei al-Qummī. In diesem Fall erkennt al-Majlisī die Abänderung an, wie sich noch zeigen wird.
Der Bericht wurde von al-Kulainī mit seiner Überlieferungskette überliefert. Von Buraid al-ʿIjlī wird berichtet: „Ich fragte Abū Jaʿfar (a) über das Wort Allahs, erhaben ist Sein Name: "Allah befiehlt euch, anvertraute Güter ihren Eigentümern [wieder] auszuhändigen und, wenn ihr zwischen den Menschen richtet, in Gerechtigkeit zu richten."23 Er sagte: „Es bezieht sich auf uns: Dass der Erste dem Imām, der nach ihm kommt, die Bücher, das Wissen und die Waffen aushändigt. "[…] und, wenn ihr zwischen den Menschen richtet, in Gerechtigkeit zu richten." - bezieht sich auf das, was in euren Händen liegt. Dann sagte Er zu den Menschen: "O die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch!"24 Es bezieht sich ausschließlich auf uns. Er befahl allen Gläubigen bis zum Tag der Auferstehung, uns zu gehorchen. "Wenn ihr jedoch Furcht vor Uneinigkeit in einer Angelegenheit habt, so bringt sie vor Allah, den Gesandten und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch." So wurde es offenbart.“25
Im Qurʾān heißt es jedoch: "Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor Allah und den Gesandten, wenn ihr wirklich an Allah und den Jüngsten Tag glaubt."26
Al-Majlisī kommentierte dies mit den Worten: „Was sein (Abū Jaʿfars) Erwähnen angeht: ‚und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch‘, so scheint es, dass es in ihrem Qurʾān (also der Ahlu l-Bayt) auf diese Weise stand und dass ʿUthmān es entfernt hat, da er sagte: ‚So wurde es offenbart.‘ Es könnte jedoch auch eine Erklärung für die Rückführung auf Allah und die Ulū l-Amr (Befehlshabern) sein.“27
Der erste wahrscheinliche Ansatz, den al-Majlisī bevorzugte und unterstützte, zeigt sich durch seine Aussage an anderer Stelle: „Sein Wort: "Wenn ihr jedoch Furcht vor Uneinigkeit in einer Angelegenheit habt" deutet darauf hin, dass es so offenbart wurde. Es ist jedoch möglich, dass der Zweck darin besteht, die Erklärung der Āya zu liefern, dass es nicht um Uneinigkeit zwischen den Untertanen und den Ulū l-Amr geht, wie es die meisten Kommentatoren angenommen haben. […] Und es scheint aus vielen Überlieferungen, dass der Satz ‚und den Ulū l-Amr (Befehlshabern) unter euch‘ hier ursprünglich im Vers enthalten war und entfernt wurde.“28
Sechstens: Der krönende Abschluss.
Ein Eingeständnis eines der prominenten Gelehrten und führenden Vertreter der Imāmiyya, dass die Argumentation mit dieser Āya nicht zu den Beweisen der Imāmiyya gehört und dass die Āya weder auf die Imāma noch auf die Unfehlbarkeit hindeutet. Außerdem sei die Nutzung dieser Argumentation eine unnötige Ausweitung ohne Bedeutung.
Ash-Sharīf al-Murtaḍā (gest. 1044 n. Chr.) sagte: „Wir kennen niemanden unter unseren Gefährten, der sich in dieser Angelegenheit darauf stützte. Vielmehr argumentierte Ibn al-Rāwandī in seinem Buch al-Imāma damit, dass die Imame unfehlbar sein und ihre Identität eindeutig bestimmt werden müsse. Doch die Āya weist nicht auf diese Bedeutung hin, und das Aufblähen durch etwas, dessen Aussagekraft unvollständig ist, hat keinen Sinn. Denn das, womit der Beweis erbracht wird, ist – gepriesen sei Allah und Seine Gnade – ausreichend und vollkommen.“29
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1) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:59.
2) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:59.
3) Al-Alfain von Al-Ḥillī; S. 305.
4) Mashraʿat Biḥār al-Anwār von Muḥammad Āṣif Muḥsinī; Bd. 1, S. 429.
5) Al-Māʾida (Der Tisch) 5:55.
6) Mashraʿat Biḥār al-Anwār von Muḥammad Āṣif Muḥsinī, Bd. 2, S. 85.
Und die Anmerkung im Fußnotentext des Buches lautet: „Die Beweise, die auf eine ausschließliche Zuweisung hindeuten, sind nicht glaubwürdig in ihrer Überlieferungskette. Und selbst wenn ihre Überlieferungskette zuverlässig wäre, lässt ihre Auslegung keine ausschließliche Zuweisung erkennen. Denn die Annahme der Existenz von Ulū l-Amr während der Lebenszeit des Gesandten schließt die ausschließliche Beschränkung auf die Imame (a) aus.“
7) At-Tawba (Die Reue) 9:119.
8) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:59.
9) Fiqh al-ʿUqūd von Kāẓim al-Ḥāʾirī; Bd. 1, S. 209.
10) Min Hudā l-Qurʾān von Muḥammad Taqī al-Mudarrisī; Bd. 2, S. 71.
11) Siehe vorherige Quelle.
12) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:59.
13) Darāsāt fī Wilāyat al-Faqīh wa Fiqh ad-Dawla al-Islāmiyya von Ḥusain ʿAlī al-Muntaẓirī; Bd. 1, S. 575.
14) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:59.
15) Al-Uṣūl al-ʿĀmma li l-Fiqh al-Muqāran von Muhammad Taqiyy al-Ḥakīm; S. 163.
16) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:83.
17) Al-Uṣūl al-ʿĀmma li l-Fiqh al-Muqāran von Muhammad Taqiyy al-Ḥakīm; S. 163.
18) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:83.
19) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:59.
20) Tafsīr al-Mīzān von Muḥammad Ḥuṣain at-Ṭabāṭabāʾī; Bd. 5, S. 22.
21) Tafsīr al-Qummī von ʿAlī Ibn Ibrāhīm al-Qummī; Bd. 1, S. 141.
22) Biḥār al-Anwār von al-Majlisī; Bd. 23, S. 286.
23) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:58.
24) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:59.
25) Al-Kāfī von al-Kulainī; Bd. 1, S. 688.
26) An-Nisāʾ (Die Frauen) 4:59.
27) Mirʾāt al-ʿUqūl fī Sharḥ Akhbār Āl ar-Rasūl von al-Majlisī; Bd. 3, S. 181.
28) Mirʾāt al-ʿUqūl fī Sharḥ Akhbār Āl ar-Rasūl von al-Majlisī; Bd. 26, S. 77.
29) Ash-Shāfī fī l-Imāma von ash-Sharīf al-Murtaḍā; Bd. 2, S. 257.